Dr.-Heraeus-Gedächtnis-Prüfung für Retriever (HP/R) am 28. September in Bremen-Stuhr
Einen Bericht zu verfassen, der die viele ehrenamtliche Arbeit wiederspiegelt, ist kaum möglich. Sind doch viele Stunden (Vor-)arbeit der Helfer, Sonderleiter und Richter notwendig, die niemand zu sehen bekommt, um so eine umfangreiche Prüfung zu gestalten. Sonderleiter, Revierführer und Richter, die seit vielen Stunden auf den Beinen sind.
Die Hundeführer finden alles fertig vor. Sie haben ihre Hunde vor der Prüfung versorgt und stehen nun den ganzen Tag mit ihrer vollen Aufmerksamkeit uns Hundeführern zur Verfügung. Wenn wir den „Der Retriever“ durchblättern, finden wir bestimmt über hundert Kontakte von ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern, die täglich für unser Hobby arbeiten – an dieser Stelle vielen lieben Dank.
Es ist etwas Besonderes, einen Hund auf einer Eliteprüfung zu führen. Es werden laut Prüfungsordnung hervorragende Eigenschaften, hohe Anforderungen an die Nasenleistung, Lenkbarkeit, Merkfähigkeit und Apportierfreudigkeit erwartet; darüber hinaus sollen die Hunde einen guten Stil zeigen, standruhig und leichtführig sein. Wenn man die Zeilen in der Prüfungsordnung liest, sich gedanklich den Ausbildungsstand seines Hundes vor Augen hält, hat man bei der Anmeldung schon ein gespanntes, mulmiges Gefühl.
Dieses gespannte, mulmige Gefühl ebbt auch nicht in den Tagen vor der Prüfung und gar nicht während der Prüfung ab. Ein sehr gut ausgebildeter Hund mit seinem erfahrener Hundeführer bedeuten nicht automatisch, wie wir in den Ergebnislisten nachlesen können, eine bestandene Dr. Heraeus-Gedächtnis-Prüfung. Die Anspannung bei Hund und Hundeführer ist spür-und sichtbar. In meinem Fall spiegelten mir die Zuschauer mein Verhalten wieder: kreideweiß, in gebückter Haltung und nicht ansprechbar.
Ist man als Hundeführer alleine und stellt sich der Prüfung, so ist man zur Vorbereitung auf die Prüfung an vielen Trainingstagen mit Seinesgleichen unterwegs. Zählen doch diese Tage in toller Begleitung ein Vielfaches – vielen lieben Dank an alle, die mit mir dieses Hobby ausüben.
Nun zur eigentlichen Prüfung: Wir fingen mit der 500m Haarwildschleppe, auf der Längsseite einer 80x500m großen Wiese an einem Wald gelegen, an. Der Hund musste, bevor er für eine gefühlte unendliche Zeit im Wald und aus meiner Sicht verschwand, auf der Wiese einen Haken arbeiten. Nicht nur aus meiner Perspektive sah es hervorragend aus. Es wurde uns auch von den Richtern Dr. Jutta Jaitner, Jan-Peter Stephan, Rudolf Lehrburger und dem Richteranwärter René Afflerbach ein „vorzüglich“ bescheinigt.
Bei der Vorbereitung dieser Prüfung und ihren Anforderungen muss Hayo Wilken, unser Revierführer, wohl viele Kilometer zurückgelegt haben, hat er doch für jeden Prüfungsteil ein individuelles Gelände gefunden, was bedeutete, dass auch wir an diesem Tag viele Kilometer mit dem Auto zurücklegten. Ihm und den Revierinhabern herzlichen Dank dafür.
Die geforderte „Doppelmarkierung“, wie für eine Eliteprüfung zu vermuten, führte dazu, dass wir nur noch zu zweit weitermachen konnten. Das Gelände und die niedrig fliegenden und erst in der Luft beschossenen Enten machten die Aufgabe für zwei Hunde unlösbar.
Nur wenn man wusste, wo sich die Schützen postiert hatten, konnte man sie erahnen. Die erste Ente flog von hinten nach vorne ins Reet ca. 80m auf 10 Uhr. Der zweite Schuss wurde schnell hinter einem Knick auf 12 Uhr in ca. 100m Entfernung abgegeben. Zuerst musste die 10 Uhr Markierung gearbeitet werden. Jinny verschwand schnell hinter dem Reet und wurde auf 11 Uhr wieder gesehen. Stopppfiff – links eingewiesen und sie war dran. Die zweite Markierung auf 12 Uhr hatte ich unmittelbar an dem Knick gesehen, Jinny wusste es besser und markierte perfekt.
„Einweisen“ – nun waren wir nur noch zu zweit. In weiter Ferne zog sich an einem Graben das Reet entlang, etwas schräg rechts eine Altgrasfläche. Das erste Blind verbarg sich in der Spitze der beiden Gelände auf der anderen Seiten eines Grabens. Das zweite Blind, schräg über einen Entwässerungsgraben gelegen, war nicht weniger schwer zu arbeiten.
Die Altgrasflächen sind für die jagdgewohnten Hunde so eine Verlockung, sodass es schwer fiel, Jinny überhaupt in die richtige Richtung auszurichten. Es gelang uns, das erste Blind mit einer Korrektur reinzuholen. Das zweite Blind, im hohen Schilf gelegen, wurde zur Nagelprobe, rannte meine Hündin doch schnurstracks auf die Altgrasfläche zu. Nun musste ich sie stoppen und schräg rechts über den Entwässerungsgraben schicken, was erstaunlich gut klappte. Auf der anderen Seite bedurfte es noch ein wenig Überzeugungsarbeit an der Pfeife, bis ich sie über die Wiese zum Schilf bringen konnte. Immerhin noch ein „sehr gut“. Nach dieser Aufgabe waren wir nur noch alleine. Was die Anspannung für Hund und Mensch ins fasst Unerträgliche steigerte. Nun wurde jede Aufgabe nur noch für uns gestellt. Man konnte sich mit niemanden mehr austauschen, es wurde nicht mehr über die Aufgaben gesprochen, eine Entspannung zwischen den Aufgaben gab es nicht.
Als nächstes stand das Treiben, drei Hunde wurden mit angestellt, auf dem Zeitplan. Wenn auf 80x100m hin und zurück unter Abgabe von diversen Schrotschüssen aus der Line der Hundeführer getrieben wird, steigt auch bei den relaxesten Hunden die Anspannung enorm. Jinny arbeitete perfekt, bei anderen Hunden war die Anspannung beim Verharren mit Beute im Fang oder Wegbleiben zu merken.
Ein letzter Standortwechsel führte uns zur Ochtum. Die Aufgabe: Überwasser Einweisen auf eine Federwildschleppe. Auf die andere Seite einzuweisen, war kein Problem. Dann die Schleppe, die sie zunächst weiträumig umrannte, um dann Wind von der Ente zu bekommen. Sehr effektiv, wenn auch nicht unbedingt die beschriebene Schleppenarbeit.
Schließlich die letzten beiden Aufgaben: Zunächst „Einweisen“ in ein malerisches Suchengebiet mit Sumpfgras und Schilf auf 70m über die Landesgrenze Bremen/Niedersachen. Auf dem Hinweg zur Aufgabe sah ich rechts aus dem Gelände etwas wegschwimmen – wie sich später herausstellte eine Ente. Mein Puls wurde noch höher, führte ich doch die Meisterin für flugunfähige Enten und Nutria. Genauso wie ihr Vater gibt sie nichts verloren und hat durch viele Einsätze auch genügend Erfahrung gesammelt. Entsprechend lief auch das Einweisen über Wasser. Auf der anderen Seite angekommen, war von Jinny nichts mehr zu sehen. Nach kurzer Suche kam sie mit der Ente auf direktem Weg zurückgeschwommen. Auf dem Rückweg wurde mit einem Schrottschuss untermalt eine Ente seitlich ins Wasser geworfen. Jinny ließ sich nicht verleiten und brachte beide Enten nacheinander perfekt nach Hause. Die Anspannung wich unmittelbar, die Gesichtsfarbe und die Worte fand ich wieder, nachdem die Richter zum Bestehen der Prüfung gratulierten.
Noch nie habe ich eine Prüfung geführt, die mich psychisch so gefordert hat.
Mit drei vorzüglichen und vier sehr guten Bewertungen bestand ich meine erste Dr. Heraeus-Gedächtnisprüfung mit sehr gut.
Dirk Radtke mit Summerflight Classic Moonworker “Jinny” Flat-Coated Retriever
Vielen Dank Dörthe Pröschild für die Geländeeindrücke